Gerhard Jahn

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1945 war ja noch der Krieg, und 1946, den 30. Januar 1946 haben sie mich einkassiert. Das Warum weiß keiner. Das war also üblich, dass man teilweise von der Straße weg geholt wurde. Gerhard Jahn und seine Mutter wurden von der Sowjetischen Militäradministration verhaftet. Das Spritzenhaus in Rangsdorf, das alte Spritzenhaus, da sind wir oder nachdem wir festgenommen wurden, untergebracht worden, und ich hatte das Glück, dass ich also praktisch in einen Raum kam, wo wir also mit zwanzig Mann drin waren. Es konnte jeder nur auf der linken oder auf der rechten Seite liegen. Und in diesem Haus, was also das Spritzenhaus war, haben sie auch meine Mutter untergebracht, sind wir aber denn einen Tag später schon nach Ketschendorf gekommen. Da hatte ich also Glück gehabt, dass ich mich nicht nachher mit Hunger und weiß ich, ich meine, Hunger gab es ja sowieso. War ja eine andere Geschichte. Aber wir sind dann von dort aus nach Ketschendorf gekommen. Und der Witz war, wie ich da also praktisch in diesem Feuerwehrhaus, als Bunker für uns, war, hatte ich noch eine Armbanduhr. Und der Kumpel neben mir sagte: "Mensch, wo hast du denn die Uhr her?" Das gab es nicht, dass also zu dieser Zeit 1945/46 jemand auf der Straße mit einer Armbanduhr rumlief. Nicht, wenn das ein Russe mitgekriegt hat, war die weg, aus, Feierabend. Und ich hatte die um. Da sagt der: "Mensch, pack die Uhr weg!" Dann habe ich die Uhr genommen und hab sie praktisch in einen Schuh gesteckt unten, Armband ab, die Uhr in den Schuh gesteckt. Dann bin ich, sind wir reingekommen ins Lager, da wurde nun also splitternackt erst mal ausgezogen und untersucht, ob irgendeine körperliche Öffnung war, wo man was hätte verstecken können. Da habe ich die Uhr genommen und hab sie hier in die Backe gepackt, da hatte ich eine dicke Backe. Das haben die nicht mitgekriegt. Und ich bin ins Lager reingekommen und hatte die Uhr immer noch. Und dann habe ich also Folgendes gemacht: Dann habe ich also praktisch, während meine Mutter - da die geraderüber von dem Haus, in dem ich untergebracht war, wohnte, habe ich mich eines Tages mal beigemacht oder wir haben uns dann immer mal irgendwie aus der Entfernung versucht zu sprechen -, und hab sie angerufen, also, das heißt gerufen und ihr die Uhr rübergeschmissen. Und das hat ja dann der deutsche Lagerkommandant mitgekriegt. Das waren für mich also vierzehn Tage Gefängnis ohne Essen. Da hatten die einen Bunker, und da mussten wir rein. Jeder, der also irgendwie eine Straftat in deren Sinne gemacht hat, der kam da in diesen Bunker in den Keller. Auf jeden Fall haben die mich da erwischt und haben mich da erstmal reingesperrt. Aber meine Mutter hatte die Uhr, und die hatte mir ein Brot rübergeschmissen. Naja, logisch. Und wie ich nach Hause kam 1950 am 1. Mai, da legt die mir die Uhr auf den Tisch. Also, das sind alles so Kuriositäten, die man da mitgemacht, ja. Naja, eines war natürlich hier in Deutschland: Sie durften nichts tun. Hier in den deutschen Lagern, ja. Wenn also da ein, sagen wir mal so wie unsereiner, der mit siebzehn, achtzehn Jahren jetzt dort war, wenn der als irgendwie als Rumrenner, möchte ich mal sagen, ja, die haben die Jungs genommen, damit sie ein bisschen Daten weggeben konnten innerhalb des Lagers und so weiter. Die hatten noch ein bisschen zu tun, aber ansonsten haben sie in der Ecke gesessen. Die Verhörerei - normalerweise, also, die anderen Kumpel haben schon Prügel gekriegt und sind auch schon zusammengeschlagen worden auch. Da habe ich Glück gehabt, da ist bei mir nichts passiert. Wir hatten, wie ich reinkam ins Lager, hier in diesen Häusern hier, wo ich … Hier, nicht? Naja, da. Da waren also praktisch keine Betten, nix, nix drin, also eine Küche, so groß hier wie Ecke und da haben sie dann einen Haufen Leute reingeschoben. Nach etwa einem Dreivierteljahr haben sie uns dann dort Pritschen reingestellt. Also sagen wir mal so: Soweit ich, ist also jetzt sehr, sehr vage, die Aussprache hier, soweit ich mitgekriegt habe, waren wir aus unserem Kreis Rangsdorf, alles, was Teltow, alles was da rum war, sind wir mit ungefähr zwanzig Mann ins Lager gekommen nach Ketschendorf. Und wenn da sechs oder sieben wieder nach Hause gekommen sind, waren es viel. Meine Mutter und ich, wir sind erst in Ketschendorf gewesen, dann sind wir nach Jamlitz gekommen, jetzt mal ganz grob gesehen. Und ich war also dann in Jamlitz und hatte also das wahnsinnige Glück, naja, Glück kann man auch nicht sagen, aber ich hab versucht, meine Mutter im Lager anzusprechen. Das war eigentlich nicht möglich. Aber die sind rausgekommen, die Frauen, und haben Essen geholt, und wir sind rausgegangen und haben draußen gefegt, damit wir die Frauen, wenn sie mal rauskamen, sprechen konnten. Ja. Und auf der Basis hat meine Mutter sich da irgendwie drum gekümmert und ich bin in der Küche gelandet. Das war also schon mal das erste Überleben. Also, wie gesagt, wer im Lager drin war, der musste sich an die Gewohnheiten, die ja praktisch vom Lager, vom deutschen Lagerkommandanten und von den russischen Verwaltungen vorgegeben waren, die mussten eingehalten werden. Ja, also, wir durften jeden Tag eine Stunde lang auf dem Hof im Kreis rummarschieren und das war das einzige, wo wir aus den vier Wänden rauskamen. Ja, und ein Jahr später sind wir dann praktisch alle die, die noch auf allen Füßen standen, nach Sibirien transportiert worden. Das war also dann ´47. Das ist meine Post, die wir, muss ich mal auf das Datum gucken, 3. Dezember ´48. Da konnten wir von Sibirien aus nach Hause schreiben. Das hier ist praktisch die gesamte Post, die ich also praktisch von Sibirien habe nach Hause schreiben können. Na, wir waren dann dort in verschiedenen Gulag-Lagern. Und sind dann 1950 entlassen worden. Ja, durch die DDR mussten wir schon, aber wir haben uns ja in den Westen zu unseren Angehörigen entlassen lassen. Und meine Eltern waren ja dann in Bad Harzburg. Und da bin ich dann auch glatt durchgekommen bis dahin, ja. Wie ich nach Hause kam 1950, am 1. Mai, da legt die mir die Uhr auf den Tisch. Ich hab immer Glück gehabt. Ich bin aus dem Lager rausgekommen, ich bin gesund rausgekommen, ich bin hierhergekommen und hab dann praktisch bei der MIAG in Braunschweig hier eine Lehrstelle gekriegt als Maschinenschlosser und nebenbei noch Meisterprüfung gemacht und alles abends nach Feierabend. Aber das hat sich also dann immer glücklich ergeben. Und danach war ich nachher dreißig Jahre selbstständig.

Aus unserem Kreis Rangsdorf sind wir mit ungefähr zwanzig Mann ins Lager gekommen nach Ketschendorf. Und wenn da sechs oder sieben wieder nach Hause gekommen sind, waren es viele.

Biografie

1944, Gerhard Jahn ist 15 Jahre alt

Gerhard Jahn wird zusammen mit seiner Mutter im Januar 1946 verhaftet. Nach einer Nacht mit Verhören kommt er schon am nächsten Tag ins Speziallager

Das sowjetische Volkskommissariat für Inneres (NKWD) richtete von 1945 bis 1950 in der SBZ/DDR insgesamt zehn Speziallager ein. Anfangs sollten hier nach Kriegsende vorrangig ehemalige Funktionsträger des NS-Staates inhaftiert werden. Gleichzeitigt dienten die Lager zur Zwangsrekrutierung von in der Sowjetunion benötigten Arbeitskräften. In der Folgezeit wurden hier jedoch mehr und mehr Personen festgehalten, die als Gefahr für die Besatzungsmacht oder für den Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung angesehen wurden.

Ketschendorf, ebenso seine Mutter. Gerhard gelingt es, Kontakt zur ihr zu halten.                                                                

Er hatte noch seine Armbanduhr, was in dieser Zeit ungewöhnlich ist, denn in der Nachkriegszeit war es normal, dass Sowjetsoldaten Passanten auf der Straße Uhren und Schmuck abnahmen. Gerhard schafft es sogar, sie ins Lager zu schmuggeln. Bei einer Gelegenheit wirft er sie seiner Mutter zu. Er wird erwischt und muss zwei Wochen ohne Essen in den Bunker. Ihr wiederum gelingt es, ihn im Bunker mit Brot zu versorgen. Nach seiner Entlassung gibt sie ihm die Uhr zurück. Sie konnte sie durch alle Kontrollen schmuggeln.

In Ketschendorf kam Gerhard zuerst in überfüllte Räume ohne Betten. Erst nach einem Dreivierteljahr wurden Pritschen hineingestellt. 1947 werden er und auch seine Mutter ins Lager Jamlitz verlegt. Sie können auch hier Kontakt halten, obwohl die Häftlinge, bis auf eine Freistunde, ihre Baracken nicht verlassen dürfen. Jahns Mutter gelingt es sogar, ihrem Sohn Arbeit in der Küche zu verschaffen. Ein Jahr später werden Mutter und Sohn getrennt, Gerhard wird zum Arbeiten nach Sibirien

Gulag ist eine Abkürzung, die übersetzt „Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und –kolonien“ bedeutet. Gulag bezeichnet das umfassende System von Straf- und Arbeitslagern in der Sowjetunion. Seinen Höhepunkt erlebte das Gulag-System unter der Herrschaft Stalins mit mehr als 200 Lagern, in denen ca. 20 Millionen Menschen vor allem in Sibirien inhaftiert waren, darunter nach 1945 Zehntausende deutsche Kriegsgefangene und Zivilisten. 

in ein Gulag

Gulag ist eine Abkürzung, die übersetzt „Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und –kolonien“ bedeutet. Gulag bezeichnet das umfassende System von Straf- und Arbeitslagern in der Sowjetunion. Seinen Höhepunkt erlebte das Gulag-System unter der Herrschaft Stalins mit mehr als 200 Lagern, in denen ca. 20 Millionen Menschen vor allem in Sibirien inhaftiert waren, darunter nach 1945 Zehntausende deutsche Kriegsgefangene und Zivilisten. 

-Lager transportiert. Seine Mutter wird bald entlassen und geht nach Westdeutschland

Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 auf dem Gebiet des von den West-Alliierten (USA, Großbritannien, Frankreich) nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges besetzten Teils Deutschlands gegründet. Das Saarland kam nach einer Volksabstimmung im Jahr 1956 dazu. Staatsform ist die parlamentarische Demokratie.

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Gerhard überlebt die sowjetischen Lager und kehrt 1950 heim. Er fährt zu seiner Familie in die Bundesrepublik

Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 auf dem Gebiet des von den West-Alliierten (USA, Großbritannien, Frankreich) nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges besetzten Teils Deutschlands gegründet. Das Saarland kam nach einer Volksabstimmung im Jahr 1956 dazu. Staatsform ist die parlamentarische Demokratie.

, beginnt eine Lehre, macht die Meisterprüfung und arbeitet dann 30 Jahre als Selbständiger. Er habe immer Glück gehabt, sagt er.