Karl Keßner

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Ich bin 1924 geboren als einziges Kind des Buchdruckermeisters Karl Keßner senior und seiner Frau Marianne, geborene Schmorde aus Bernstadt. In dem Hause hier geboren. Begnadete, frohe Kindheit, trotzdem die Eltern ziemlich sparsam sein mussten, denn mein Vater hatte hier eine kleine Druckerei im Hause mit etwa drei bis vier Mitarbeitern. Da waren nun keine goldenen Berge zu verdienen, aber mein Vater war, wie ich dann auch später Qualitätsfanatiker. Also, da musste jede Drucksache so sein als wär es eine Meisterprüfungsarbeit. Und das hat der Vater mir hinterlassen, die Art. Und alles, was ich so ein bissel im Grips und angelesen hab, ich durfte ja nicht studieren, nichts, hab ich noch auf der alten Neubauer-Oberschule gelernt, zum Beispiel Latein, Französisch, Englisch. Wenn ich was im Kriege gelernt hab, dann eiserne Selbstbeherrschung, eiserne Disziplin, Menschenführung ist ganz wesentlich, ja. So kurzzeitig wie wir Offizier waren, aber Menschenführung, das ist, da haben wir was gelernt. Und das Eiserne Kreuz ist deshalb für mich was Bedeutungsvolles, dass ich sagen kann: Ich war nie ein feiger Hund. Und wenn ich wäre noch ein bissel länger im Einsatz gewesen, wäre ich dort auch noch gefallen, also, das kam gar nicht anders infrage. 1945 gerät Karl Keßner in amerikanische Kriegsgefangenschaft. In verschiedenen Lagern dort, in den Riesenlagern Saint Arnoult bei Metz, Sinzig in den Reihenlagern. Hab ich noch anders Material dann, wurden wir dann plötzlich im Januar ´46 entlassen. Mit viersprachigem Entlassungsschein. Und an der Zonengrenze bei Eisenach nahmen sie uns die Scheine wieder weg. Trotz der bereits erfolgten Entlassung wird Karl Keßner von der Sowjetarmee erneut als Kriegsgefangener interniert. Ja, und eines Tages hieß es: Sie werden heute entlassen. Es sind Rot-Kreuz-Schwestern auf dem Bahnhof, die empfangen Sie und nach Dresden, Leipzig begleiten Sie dann an Ihren Heimatorten. In welchem Ort sind Sie entlassen worden? In Erfurt. In Erfurt sind Sie entlassen worden. Da haben wir dort, also entlassen nicht, sondern wir sollten entlassen werden. So. Und da kommen wir hoch und da standen die Rot-Kreuz-Schwestern da. Das war eine Kompanie russischer Geheimdienst, NKWD. Die hatten jeder eine Kalaschnikow um. Das waren die Rot-Kreuz-Schwestern. Und dann kamen wir eben dann, die tausendzweihundert Kameraden, in Sachsenhausen an. Da haben wir erst einmal paar Stunden so gesessen hier, und dann kamen die mit einer Gelka. Wissen Sie, was das ist? Nein. In einer Gelka ist die altberühmt-berüchtigte Peitsche. Lauter kleine Riemen und dann vorne eine Bleikugel, über die Köpfe, haben sie uns, es ist keiner beschädigt worden, aber eben die Angst und dann schießen über die Köpfe, was haben sie denn, also, wir hatten es ja woanders schon schießen hören. Ja. Und nun kamen wir rein in das Lager. Und dort waren, jetzt noch stehen die, das werden Sie hier dann sehen, Baracken drin, und dann haben wir laufend weitere Baracken gebaut. Die kamen irgendwo aus Berlin. Da habe ich als Dachdecker gearbeitet. Da wurden wir ja zur Entlausung durchgeführt, alle mal zehn Mann hier, fest eingehakt. Und da wurden die Politischen, die waren ja in der überwiegenden Zahl, die Politischen, vom kleinsten Nazi her bis sonstwas, die wurden da weggesperrt, wenn wir kamen. Wir waren nicht Politische, da lege ich großen Wert drauf. Und da musste zum Beispiel das Essen geholt werden. Gehen zwei Mann wie die Schesenträger, einen nagelneuen Berliner Aschekübel, so richtige nagelneue verzinkte Müllkübel, waren nun oder Berlin oder nur rumgestanden dort, und die gingen das Essen holen. Und das war manchmal so dick, Sago, das ging technisch gar nicht auszugeben. Waren ja denn Schöpfer, alte Konservenbüchse, Holz mit dran, was denken Sie, was ich für Schwierigkeiten hatte, bis sie endlich in das Kochgeschirr das Essen reinkriegten? Ja, das ist eben im KZ. Es gab auch manchmal eine dünne Suppe, da ging´s. Die Russen sind ja akribisch genau. Und in ihrer ganzen Buchführung, bei den Transporten, die haben ja alles aufgeschrieben. Wenn da eben drei Tote rausflogen - festgehalten. Da musste sich ja wieder der Deschornuj, der russische Unteroffizier, der musste sich ja wieder verantworten: Wo sind die drei Mann geblieben? Ja? Also, hätte ich denen nie zugetraut! Dass die so akribisch Buch führen. Und hier habe ich in der Gefangenschaft dort im KZ Sachsenhausen ein Schachspiel geschnitzt. Mit einer Rasierklinge. Schwarze Schuhcreme, das andere mit Firniss. Gucken Sie mal an, das ist die Dame. Nehmen Sie mal den König raus. Und schön wieder reinstecken. Auf alle Fälle mache ich das. Ja, wenn ich … Ich hab den nur nicht richtig erkannt, den König. Ein eisernes Kreuz reinzuschnitzen, mit einer Rasierklinge. Erstmal von dem Stab trennen, das hat ja Wochen gedauert. Ja, und da gab es plötzlich an einem Sonntag beim Zählappell einen Vorschlag, wer von den Leuten hier Beschwerden, Wünsche oder sonstwas hat, es steht ein sowjetischer Politoffizier zur Verfügung. Und hingegangen, empfing uns ein sowjetischer, jüdischer Oberleutnant Druse. Ich bin ja mit jüdischen Kindern großgeworden, es gab ja welche, die wussten gar nicht, wie ein Jude aussieht. Und der war aber ein richtiger Jude, war das. Oberleutnant Druse. Ist auch in der Literatur erwähnt. "Was haben Sie?" Ich sage: "Herr Oberleutnant, ich möchte nur wissen, wo ich hier protestieren kann, ich bin von einer alliierten Macht mit viersprachigem Entlassungsschein nach Löbau entlassen worden und sitze hier. Was kann ich hier machen?" Ja. Nahm der mich ans Fenster: "Was sehen Sie?" Ich sage: "Hier werden deutsche Kameraden entlassen." Da hatten die Herren Pieck und Grotewohl erreicht, dass hunderttausend schwerbeschädigte russische, als Gefangene der Sowjetunion nach Hause kommen. Das war Wahlpropaganda für 1946, waren die ersten Wahlen. Und da sagte der Herr Oberleutnant Druse: "Sie werden in drei Tagen zuhause sein, Sie werden hier entlassen. Und ist Ihnen das recht?" Ich sage: "Danke, Herr Oberleutnant." So, jetzt kommt das Glaubensbekenntnis: Der Druse, ist auch in der Literatur erwähnt, konnte nicht wissen und ich durfte es nicht wissen, dass mein Vater unter Lebensgefahr seinem besten jüdischen Freund das Leben gerettet hat, indem er ihn von der Verhaftung durch die SA bewahrt hat. Aber der hat es gewusst im Himmel, dass Karli Keßner als einziges Kind heim durfte. Der hat es gewusst. Im September 1946 wird Karl Keßner aus Sachsenhausen entlassen. Naja, da waren wir da. Mein Mutti war in Leipzig, die kaufte eine Presse, eine gebrauchte Krause-Presse für Stempel, auch umgebaut mit Heizung, waren ja früher mit glühenden Bolzen, eine historische Maschine. Die steht jetzt im Museum in Bernstadt. Ja. Sodass mich mein Vater abholte mit Onkel und Tante. Es wurden 1945 dann die Druckereien versiegelt, verboten, wo die Besatzungsmacht kam, sodass wir praktisch ohne Existenz dagestanden hätten. Aber meine Mutti hatte hier im Hause unten ein Papierbürobedarfsgeschäft, das hatte ihr der Großvater Schmorde eingerichtet als seiner Tochter, Vater war in der Druckerei hinten. Und dadurch war eine gewisse Existenzgrundlage gegeben. Karl Keßner übernimmt den elterlichen Betrieb 1947. Wir hatten ja nichts verbrochen. Wir sind guten Gewissens in Gefangenen… Wenn wir halt was verbrochen hätten oder wären belastet worden, da hätten wir uns ja gar nicht fangen, da wären wir entweder ausgerissen oder sonstwas gemacht. Ich bin absolut, ich wär nie ein aktiver Soldat gewesen. Wir wurden, ein Leben lang, Befehle mit der Halsbinde arbeiten, aber im Kriege betrachten wir es als unsere Pflicht. Haben wir es gemacht, ja, mit allen Konsequenzen. Nützt ja nun nichts. Ja. Haben wir es gemacht. Ja, ja.

Und hier habe ich in der Gefangenschaft dort im KZ

Das sowjetische Volkskommissariat für Inneres (NKWD) richtete von 1945 bis 1950 in der SBZ/DDR insgesamt zehn Speziallager ein. Anfangs sollten hier nach Kriegsende vorrangig ehemalige Funktionsträger des NS-Staates inhaftiert werden. Gleichzeitigt dienten die Lager zur Zwangsrekrutierung von in der Sowjetunion benötigten Arbeitskräften. In der Folgezeit wurden hier jedoch mehr und mehr Personen festgehalten, die als Gefahr für die Besatzungsmacht oder für den Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung angesehen wurden.

Sachsenhausen

Im August 1945, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, internierte der sowjetische Geheimdienst nichtverurteilte deutsche Zivilisten im ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslager Sachsenhausen. Ab 1946 war die Zone II des Lagers Haftort für Verurteilte der Sowjetischen Militärtribunale (SMT). Insgesamt waren bis 1950 in diesem Lager 60.000 Menschen inhaftiert. In dieser Zeit starben 12.000 an den Haftbedingungen. Das Lager wurde im Frühjahr 1950 aufgelöst.

ein Schachspiel geschnitzt. Mit einer Rasierklinge. Schwarze Schuhcreme, das andere mit Firniss.

Biografie

Karl Keßner, Jahrgang 1924, wächst in der Oberlausitz auf. Die Familie besitzt eine kleine Druckerei. Das Kriegsende erlebt er als junger Leutnant. Er kommt in amerikanische Kriegsgefangenschaft, wird im Januar 1946 aus dieser entlassen und will nun nach Hause. Angst vor der sowjetischen Besatzungsmacht hat er nicht. Als ihn an der Zonengrenze sowjetische Soldaten kontrollieren, ihn festnehmen und seinen amerikanischen Entlassungsschein einbehalten, erwartet er, nur zur genaueren Überprüfung festgehalten zu werden. Doch stattdessen werden all die ehemaligen deutschen Soldaten, die wie er aus der Kriegsgefangenschaft der West-Alliierten entlassen worden waren, wieder zu Kriegsgefangenen erklärt. Ein Schock! Ebenso wie der Ort, an den er nun gebracht wird: das Speziallager

Das sowjetische Volkskommissariat für Inneres (NKWD) richtete von 1945 bis 1950 in der SBZ/DDR insgesamt zehn Speziallager ein. Anfangs sollten hier nach Kriegsende vorrangig ehemalige Funktionsträger des NS-Staates inhaftiert werden. Gleichzeitigt dienten die Lager zur Zwangsrekrutierung von in der Sowjetunion benötigten Arbeitskräften. In der Folgezeit wurden hier jedoch mehr und mehr Personen festgehalten, die als Gefahr für die Besatzungsmacht oder für den Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung angesehen wurden.

Sachsenhausen

Im August 1945, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, internierte der sowjetische Geheimdienst nichtverurteilte deutsche Zivilisten im ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslager Sachsenhausen. Ab 1946 war die Zone II des Lagers Haftort für Verurteilte der Sowjetischen Militärtribunale (SMT). Insgesamt waren bis 1950 in diesem Lager 60.000 Menschen inhaftiert. In dieser Zeit starben 12.000 an den Haftbedingungen. Das Lager wurde im Frühjahr 1950 aufgelöst.

. Die Kriegsgefangenen dort sind allerdings strikt getrennt von den Internierten und Verurteilten. Sie bekommen zwar den Hunger und das Sterben im Lager mit, doch sie werden deutlich besser behandelt als die anderen Häftlinge. Die Verpflegung ist nicht ganz so unzureichend und Karl darf arbeiten, mal als Dachdecker und mal als Essen-Verteiler.

Nach einem Dreivierteljahr gibt es Entlassungen bei den Kriegsgefangenen aus Sachsenhausen

Im August 1945, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, internierte der sowjetische Geheimdienst nichtverurteilte deutsche Zivilisten im ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslager Sachsenhausen. Ab 1946 war die Zone II des Lagers Haftort für Verurteilte der Sowjetischen Militärtribunale (SMT). Insgesamt waren bis 1950 in diesem Lager 60.000 Menschen inhaftiert. In dieser Zeit starben 12.000 an den Haftbedingungen. Das Lager wurde im Frühjahr 1950 aufgelöst.

und Karl kann endlich in die Heimat zurückkehren.

Dort muss sich die Familie eine neue Existenz als Stempelmacher aufbauen, denn der Betrieb einer Druckerei ist den Keßners in der ersten Nachkriegszeit verboten. Das kleine Unternehmen wird Karl nun durch schwere Zeiten in der DDR

Die Deutsche Demokratische Republik wurde am 7. Oktober 1949 auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone gegründet. Sie hatte den Charakter einer kommunistischen Diktatur nach sowjetischem Vorbild.

führen.