Reinhard Wolff

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Ich bin in diesem Jahr zweiundachtzig Jahre alt geworden, also 1929 geboren und bin hier in Fredersdorf seit etwa zehn Jahren zuhause. Ich stamme aus einem Dorf bei Strausberg, also östlich von Berlin. Meine Eltern waren Bauern. Wir waren vier Kinder, ich war der älteste, bin noch der älteste, meine Geschwister leben noch alle. Und um jetzt auf die Kriegsereignisse zurückzukommen - mein Vater war im Krieg, meine Mutter hat mit uns Kindern und einem Polen und einer Ukrainerin, die bei uns gewohnt haben als sogenannte Fremdarbeiter, die Wirtschaft betrieben und am 20. April 1945 kam die Rote Armee. Ich bin dann nicht mehr zur Schule gegangen. Ich war 9. Klasse, hab also keinen Abschluss erreicht. Und im Herbst 1945 kam ein deutscher Polizist mit einem Karabiner zu uns nach Hause und hat gesagt, ich soll mich fertigmachen zu einem Verhör. Und wir sind dann zu Fuß ins Nachbardorf, nach Wegendorf gegangen. Mein Heimatort ist Buchholz bei Altlandsberg, und da haben wir zwei andere Jugendliche mitgenommen und sind dann nach Werneuchen gelaufen. Dort war eine NKWD-Zentrale. Und dort sollten wir irgendwas berichten oder verhört werden. Und ich war der letzte, der von uns dreien rankam, das war inzwischen schon Mitternacht. Die beiden anderen habe ich dann nicht mehr gesehen, die sind irgendwie durch einen anderen Ausgang entlassen worden. Und das Verhör, das begann so, dass ich also den Verwurf hörte, ich hätte eine Pistole und nur darum hat es sich anderthalb Stunde lang gedreht in sehr schlechtem Deutsch: "Du hast Pistole!" Ich hab immer gesagt: "Nee, ich hab keine Pistole." Und du hast Pistole, ich hab keine Pistole - und zum Schluss fragte er, ist der mal rausgegangen, der Offizier und hat dann immer einen getrunken, der Alkoholgeruch, der wurde immer stärker und dann hat er mit der Reitpeitsche gedroht und hat also schon so meinen Kopf berührt, aber noch nicht geschlagen. Und dann hat er gesagt: Na gut, wir machen Protokoll. Und dann wurde ein Protokoll in russischer Sprache angefertigt, wo angeblich drin steht, ich, Reinhard Wolff, hätte keine Pistole und ich sollte das unterschreiben. Bisschen zögernd, ganze Weile, vielleicht zwanzig Minuten. Und dann hat er gesagt, er würde mich schlagen oder irgendwas mit mir machen, wenn ich nicht unterschreibe. Ich würde ja sowieso bestätigen, dass ich Pistole habe, wenn ich nicht unterschreibe. Ich hab gesagt: Ja, habe ich gutgläubig und unter der Gewaltandrohung dann unterschrieben. Und dann durfte ich wieder nach Hause gehen, ich bin dann mitternachts nach Hause getippelt. Ich war nochmal drei, vier Wochen zu Hause, ohne jede Beeinträchtigung. Und dann kam derselbe Polizist im Dezember 1945 und hat gesagt zu meiner Mutter: Also, packen sie mal ihrem Jungen schöne warme Sachen ein. Dann hat sie einen richtigen Rucksack für mich fertiggemacht, es dauert etwas länger. Denn sind wir wieder dieselbe Strecke ins Nachbardorf, haben die beiden anderen wieder mitgenommen und sind praktisch wieder zu dieser NKWD-Zentrale nach Werneuchen gebracht worden. Da hat er uns abgegeben und dann haben wir eine Nacht dort im Keller im Flugplatz Werneuchen geschlafen. Und am nächsten Morgen sind wir mit einem LKW ohne jedes weitere Verhör gleich nach Sachsenhausen gebracht worden und dort ausgeladen worden. Das war also die ganze Geschichte, die also als Vorgeschichte für Sachsenhausen läuft. In Sachsenhausen sind wir nochmal ganz kurz ärztlich untersucht, aber nicht mehr verhört worden und dann gleich auf eine Baracke aufgeteilt worden. Und das Lager selbst war ja schon seit Sommer 1945 in Betrieb. Und der erste Eindruck, als wir die Baracke betraten, war für mich so schockierend, erstmal war das der Geruch, der mich fast erschlagen hat. Es war also wirklich ein grundsätzlicher Gestank in dem riesigen Raum. Ich hab nur ältere Männer gesehen, die vollkommen apathisch an den Tischen saßen und na, da kommen ja zwei Neue. Und wo kommt ihr her und es ergaben sich so einige Gespräche und dann haben wir unser Bett bekommen. Was heißt, Bett bekommen? Es waren dreistöckige Holzbetten ohne Strohsack und nur die Bretter. Und da musste ich natürlich als junger Mensch ganz nach oben. Und so begannen die ersten Tage in Sachsenhausen. Der erste Nahrungsempfang war so, dass wir kein Essgeschirr hatten. Wir mussten warten, bis die ersten fertig waren mit dem Essen und dann haben wir die Konservenbüchse, die leere, verrostete Konservenbüchse von dem übernommen und haben mit einem Holzlöffel unsere Suppe gekriegt. Und wir hatten zu Anfang, an den ersten Tage natürlich noch keinen Hunger, weil wir eigentlich gut genährt dort eingeliefert wurden. Die Tage, die vergingen so und es kam dann praktisch schon richtige Langeweile auf. Es gab keine Beschäftigung, es ging keiner arbeiten aus meiner Baracke und es gab auch keine Beschäftigungsmöglichkeiten, es wurde Schach gespielt, das war das einzige. Wir haben dann mitgekriegt, dass Papier ganz streng verboten war, dass Bleistifte ganz streng verboten waren. Es fehlte also an allem. Es gab keine Kämme, obwohl wir eigentlich immer geschoren waren, brauchten wir gar keine. Wenn die Kleidung zerrissen war, dann gab es keine Nähnadeln und dann haben wir die Fäden also aus irgendwelchen alten Textilstücken rausgezogen. Bis dann eines Tages ein Häftling aus der anderen Seite der Baracke zu uns kam, hat gesagt: Ihr seid doch drei Jugendliche, ich arbeite da im Werkstattbereich in Sachsenhausen. Das war ein Pole mit dem Namen Bamboczek. Und der hat gefragt, ob wir drei Jugendlichen bereit wären, mit ihm täglich arbeiten zu gehen. Da haben wir natürlich mit Freude "ja" gesagt und sind dann also praktisch jeden Morgen mit dem Arbeitskommando aus dem Lager rausmarschiert in den Industriehof in Sachsenhausen, und er war dort Leiter der Holzwerkstatt. Er hat die Zimmerei, die Böttcherei und die Grobtischlerei geleitet. Es waren ungefähr zwanzig, fünfundzwanzig Häftlinge, die dort schon beschäftigt waren und, ich nehme an, der hat auch so väterliche Gefühle für uns gehabt, und hat uns deshalb da reingestellt. Und der hat uns dort in der ganzen Zeit des Lagers eigentlich eine richtige Berufsausbildung angedeihen lassen. Also, der hat uns sämtliche Arbeiten von der Anfertigung von Holzeimern, Holzfässern, allen Tischlerarbeiten und so weiter systematisch beigebracht. Fand ich jetzt im Nachhinein natürlich sehr gut und das hat damals auch Spaß gemacht. Vor allen Dingen waren wir täglich aus dieser dumpfen, stumpfen Baracke heraus und konnten also praktisch jetzt eben in einer gewissen Freiheit uns im Werkstattgelände bewegen, wir konnten die anderen Werkstätten besuchen. Es waren eigentlich alle Handwerker vertreten dort in dem Industriehof, Maler und Feintischler und Gießer und Autoschlosser, Elektriker. Sind so täglich ungefähr hundertzwanzig bis hundertfünfzig Leute aus dem Lager rausmarschiert in den Industriehof. Wir haben auch zum Teil auf den Postentürmen arbeiten müssen. Diese Sowjets, die oben auf den Postentürmen in Sachsenhausen standen, die hatten natürlich ewige Langeweile. Und die haben dann mit ihrem Bajonett die ganzen Holzsachen, die auf dem Postenturm waren, so zerschnitzt aus Langerweile. Da waren die Geländer kaputt, die Treppe kaputt. Das musste instandgesetzt werden und da war ein Postenturm, wo jetzt die Bibliothek in Sachsenhausen ist. Das ist der Innenring gewesen. Der war tagsüber nicht besetzt und nur die Außenmauer war besetzt mit den Postentürmen. Nun gab es außerdem noch dort, wo die Stacheldrahtstrecke liegt, einen Gang, wo die Sowjets Hunde, Schäferhunde haben nachts laufen lassen. Da war ein Hundezwinger, der auch von Häftlingen betreut wurde, er hat auch die Hunde trainiert. Und da gab es einen Hund, der war so verspielt, der ließ sich nicht trainieren. Den hat der immer tagsüber in dem Gang laufen lassen und der kam dann zu uns an den Postenturm, wo wir so eine Zwei- oder Dreitagesarbeit hatten, wir drei Jungs. Und da ist uns natürlich der Gedanke gekommen, er könnte eventuell uns auch weiterhelfen, der Hund, indem er als Nahrungsquelle dient. Ja, ich kam nun vom Bauernhof und man hat gesagt: Also, pass auf, du hast schon Kaninchen geschlachtet und Hühner geschlachtet, die Rolle fällt dir zu. Wir hatten einen Werkzeugkoffer mit allem, mit Hammer und Stechbeitel und alles, was dazu gehört und dann haben wir in unserem Postenturm - weit und breit natürlich keiner zu sehen -, haben wir den Hund geschlachtet. Haben das Fell dort in dem Sand vergraben. Haben den richtig auseinandergenommen, alle Blutspuren verwischt und haben praktisch in den Werkzeugkisten die Portionen, die wir nun hatten, mit in die Werkstatt genommen. Und in der Werkstatt war die Gelegenheit zu kochen. Da stand in der Mitte der Werkstatt ein Leimofen, der wurde mit Sägespänen beheizt. Leim deshalb, weil alle Holzarbeiten, die dort gemacht wurden, mit dem Knochenleim verleimt wurden. Der wurde warm gemacht. Den ganzen Tag warmgehalten. Und da konnten wir in dem Ofen mit Draht Konservenbüchsen reinhängen und konnten illegal kochen. Hat natürlich ganz toll gerochen, als wir die ersten Mahlzeiten zubereitet haben. Wir hatten kein Salz, kein Gewürz, nichts. Aber wir haben dann versucht, eben in dem Industriehofgelände Löwenzahnblätter und so weiter, Sauerampferblätter mit zuzunehmen, um das wenigstens genießbar wird. Wir haben es denn geteilt mit den anderen Tischlern und Häftlingen, die da gearbeitet haben. Es hat uns auch keiner verpfiffen. Wir haben dann, als das so richtig schön nach Fleisch gerochen hat, auch Wachposten aufgestellt, damit wir gucken, wenn da jemand kommt, dass wir das irgendwie ganz schnell beseitigen. Also, es hat sich alles nur darum gedreht, immer zusätzlich irgendwas zu organisieren und Essen ranzuschaffen. Das war das Hauptdenken und auch die Haupttätigkeit, die man so im Kopf hatte: Besorge was, besorge was, du willst nach Hause kommen. Und so war ich eigentlich in den ganzen zweidreiviertel Jahren, die ich in Sachsenhausen verbracht habe, überwiegend also von Montag bis Sonnabend immer in der Werkstatt. Ich möchte sagen, der Bamboczek hat uns dreien grundsätzlich das Leben gerettet, dass er uns dort rausgeholt hat. Dafür bin ich ihm auch heute dankbar. Aber was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht. Also, er ist noch da gewesen im Lager, als wir entlassen wurden. Die anderen zwei Haftkameraden, die mit mir zusammen waren, die Jugendlichen, die haben auch überlebt und sind mit mir am 18. August 1948 entlassen worden. Die Entlassung in Sachsenhausen, die begann im Sommer 1948. Und ich hab den ersten zu Entlassenden schon mal eine Notiz mitgegeben, die also in meiner Gegend hier wohnten, östlich von Berlin, dass sie bitte meine Eltern benachrichtigen möchten. Denn es gab ja keinen Briefverkehr und keinen Briefempfang, meine Eltern wussten bis dahin nicht, wo ich war und derjenige, der das mitgenommen hat, hat meine Eltern schon im Sommer 1948 benachrichtigt, dass ich im Lager bin und lebe. Und dass ich eventuell auch entlassen werde. Das war ungefähr so vier bis sechs Wochen, bevor ich dann selber kam. Die Entlassung, die ging etwa so vor sich, dass wir drei oder vier Wochen vor dem Entlassungstermin - den kannten wir nicht -, aufgerufen wurden in der großen Baracke, wir sollen uns fertigmachen mit unserem Wenigen, was wir haben und wir werden in eine andere Baracke verlegt als Entlassungskommando. Denn es gab schon einige Entlassungen vor uns. Und in diesen Baracken, wo die zu Entlassenden jetzt untergebracht waren, da gab es besseres Essen. Da habe ich zum ersten Mal Salzkartoffeln wieder gesehen und auch so eine Art Gulasch und auch Brot in richtiger Menge, was man also essen wollte. Und dann lagen da auch Zeitungen, "Neues Deutschland" und "Tägliche Rundschau" und "Welt". Und es wurde Radio eingespielt in der Baracke. Also, man hat uns dann wieder so drei, vier Wochen vorbereitet praktisch auf die DDR oder auf die Besatzungszone. Und wir durften uns aber nicht frei bewegen. Ich musste meine Arbeit auch aufgeben, wir durften nicht mehr arbeiten gehen. Ja, und dann eines Morgens wurden wir aufgerufen in dieser Entlassungsbaracke, sollten wir antreten. Wurden wir nochmal mit einer Liste verglichen und dann wurden wir praktisch durch das Kommandanturgebäude in Sachsenhausen durchgeführt, wo im Vorraum oder auf dem Vorplatz Garagen waren und vor den Garagen waren lange Tische aufgebaut. Und da saßen Sowjetfrauen dahinter und hatten unsere Entlassungspapiere und hatten das Geld. Fünf Mark hat jeder gekriegt für Fahrgeld. Und da mussten wir unterschreiben, dass wir auch nicht darüber sprechen. Und dann wurden wir noch gefilzt, ob wir irgendwas mit rausschleppen. Vor allen Dingen, wie gesagt, solche Adressen. Und meine Adressen, die ich von den Verstorbenen gesammelt hatte, die hatte ich im Schuh versteckt. Hab in der Werkstatt den Absatz abgelöst, hab den ausgehöhlt in der Werkstatt und hab die Zettel da reingeknittert und sie praktisch so unbeschadet mit rausgekriegt. Ja, der Entlassungsschein selber war von der deutschen Polizei aus Potsdam ausgestellt, blanko: Landespolizei Brandenburg, mit Unterschrift. Sodass ich noch nicht mal beweisen kann, dass ich in Sachsenhausen war. Ich bin also von der deutschen Polizei entlassen worden, erstaunlicherweise. # Ich war einige Monate zuhause in der Landwirtschaft. Meine Mutti hat mich dann erstmal wieder so richtig gesund gemacht und gesund gepflegt. Und von den vier Kindern, die wir auf dem Bauernhof waren, war ich sozusagen der technisch Interessierte, war nicht so sehr für die Landwirtschaft. Hab schon damals die Fahrräder und die Landmaschinen repariert. Und dann habe ich eine Annonce gelesen, dass ein Umschüler oder ein Lehrling gesucht wird als Autoschlosser und da habe ich mich gemeldet, ich war immerhin schon fast zwanzig. Und dann hat mich dieser Handwerksmeister in Berlin eingestellt und ich hab bei dem Autoschlosser gelernt, hab dann, naja, allein dadurch, dass man älter ist und intensiver lernt, auch eher ausgelernt, habe also richtig den Gesellenbrief gemacht. Ich hab dann einige Monate in Berlin als Schlosser in der Werkstatt gearbeitet. Und dann habe ich mich bei einer Ingenieurschule beworben und bin zur Ingenieurschule nach Dresden und hab dort meinen Kfz-Ingenieur studiert. Nach dem Studium bin ich in der Landwirtschaft eingesetzt worden, zum Beispiel in den großen Werkstätten von den LPGn und von den Volksgütern als Technischer Leiter sozusagen, als Werkstattleiter. Und dann wurde eine Stelle in einer Betriebsberufsschule frei, wo ein Techniklehrer gesucht wurde und ich bin vollkommen unqualifiziert dorthin. Hab gekündigt in der LPG, in der Werkstatt und bin nach Wriezen gegangen. Da war eine große Betriebsberufsschule und ich hab wieder Schlosser ausgebildet. Aber nur als Fachlehrer, ich habe nur Technikunterricht gemacht und das hat Spaß gemacht und denn kam das Angebot, Mensch, dann mach doch mal deinen Beruf fertig und mach mal Pädagogik im Fernstudium, verdienst du auch mehr Geld. Dann habe ich noch ein Fernstudium angefangen, habe noch Pädagogik studiert, inzwischen hatte ich noch ein zweites Technikstudium, im Fernstudium in Schweißtechnik noch meinen Abschluss gemacht. Naja, und so habe ich die Karriere an der Berufsschule fortgesetzt. Ich hab dann erfahren, dass in Sachsenhausen eine Gruppe zusammenkommt, die jetzt die Sache nach 1949 aufarbeiten will und daran gedenken will. Und da habe ich mich gleich eingebracht. Aber war nicht so aktiv, ich war erst mal sozusagen noch Mitläufer dort und bin von Anfang an eigentlich mit dabei. Und im Zuge dieser ganzen Treffen wurde ich dann nochmal angesprochen, in Sachsenhausen mal etwas zu erzählen, also vor Schulklassen. Naja, und dann fing das eben so langsam an, dass ich dann jährlich ein- bis zwei- oder dreimal eine Führung gemacht habe mit einer Schulklasse, gemerkt habe aber, dass die jetzt noch zu jung sind, also 10. Klasse oder sowas, die waren mir also zu verspielt und nicht aufmerksam genug. Dann habe ich gesagt, ich möchte das nur vor Abiturienten, Studenten oder Erwachsenen machen und die ersten Male, als ich das dann darlegen musste und dargelegt habe vor den Gruppen, da ist mir das immer noch sehr, sehr nahe gegangen, jetzt darüber zu sprechen. Einige Male habe ich dann auch unterbrechen müssen und, es war auch eine Sache, das selbst zu verarbeiten.

Es hat sich alles nur darum gedreht, Essen ranzuschaffen. Das war das Hauptdenken und auch die Haupttätigkeit, die man im Kopf hatte: Besorge was, besorge was, du willst nach Hause kommen. 

Biografie

Reinhard Wolff wächst als Kind einer Bauernfamilie auf einem Hof in einem kleinen Dorf bei Strausberg auf. Er ist in der 9. Klasse, also ohne Schulabschluss, als mit dem Kriegsende auch der Schulunterricht vorerst eingestellt wird. Im Herbst 1945 kommt plötzlich ein Polizist auf den Hof, um Reinhard zu einem Verhör abzuholen. Zu Fuß geht es nach Werneuchen zur sowjetischen Geheimpolizei. Reinhard soll gestehen, er hätte eine Pistole, und ein russischsprachiges Protokoll unterschreiben. Erst weigert er sich, doch der Vernehmer droht mit Gewalt und lockt mit der Entlassung am nächsten Morgen. Wolff unterschreibt und wird tatsächlich nach Hause entlassen. Drei Wochen später wird er wieder verhaftet, doch jetzt kommt er ins Speziallager

Das sowjetische Volkskommissariat für Inneres (NKWD) richtete von 1945 bis 1950 in der SBZ/DDR insgesamt zehn Speziallager ein. Anfangs sollten hier nach Kriegsende vorrangig ehemalige Funktionsträger des NS-Staates inhaftiert werden. Gleichzeitigt dienten die Lager zur Zwangsrekrutierung von in der Sowjetunion benötigten Arbeitskräften. In der Folgezeit wurden hier jedoch mehr und mehr Personen festgehalten, die als Gefahr für die Besatzungsmacht oder für den Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung angesehen wurden.

nach Sachsenhausen

Im August 1945, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, internierte der sowjetische Geheimdienst nichtverurteilte deutsche Zivilisten im ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslager Sachsenhausen. Ab 1946 war die Zone II des Lagers Haftort für Verurteilte der Sowjetischen Militärtribunale (SMT). Insgesamt waren bis 1950 in diesem Lager 60.000 Menschen inhaftiert. In dieser Zeit starben 12.000 an den Haftbedingungen. Das Lager wurde im Frühjahr 1950 aufgelöst.

. Als er dort in eine Baracke kommt, ist er völlig geschockt vom Gestank und dem elenden Zustand der Häftlinge. Es gibt nichts zu tun und keine Abwechslung. Er ist glücklich, als ihn ein polnischer Häftling fragt, ob er arbeiten will. Von ihm, dem Werkstattchef, erlernt er im Lager das Tischlerhandwerk. 1948 wird er entlassen. Reinhard hat Adressen von Verstorbenen gesammelt, um deren Angehörige benachrichtigen zu können. Die hat er im Absatz seines Schuhs versteckt und muss sie am Entlassungstag durch die Leibesvisitation bringen. Es gelingt, sie werden nicht gefunden.. Nach der Entlassung absolviert er eine Lehre als Autoschlosser, macht anschließend ein Ingenieursstudium und wird nach einigen Zwischenstationen Berufsschullehrer.