Benno Prieß

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Ja, ich bin am 5. Mai 1946 verhaftet worden, und zwar durch einen deutschen Polizisten, der mich abgeholt hat und brachte mich in ein Gefängnis in Bützow. In Bützow verblieb ich zwei Tage und wurde dann mit einem PKW nach Güstrow gebracht. Güstrow ist die große Kreisstadt von Bützow. Hier wurde ich eingeliefert in ein Gefängnis und das wurde von den Russen benutzt. Und zwar war ein großer Bretterraum umstellt, sodass die Leute das gar nicht sehen konnten. Hier wurde ich reingebracht und gleich wurden meine Haare geschoren, hatte gleich eine Glatze bekommen und dann wurde ich vernommen, nur nachts. Er hat gesagt, ich hätte geäußert, nach ´45, ein Jahr nach dem Krieg, dass ich ein Werwolfmann wär und ich wollte gegen die Rote Armee kämpfen. Und da habe ich geschrien: "Na, das stimmt nicht!", und da wurde ich überstellt mit der Kruse und mit noch einem und dann haben die gesagt: "Benno, sag doch die Wahrheit, wir wollten gegen die Russen kämpfen." Ja, was sollte ich da machen? Ich hab geschrien, ich bin aufgestanden, habe gesagt: "Nein, du lügst!" Daraufhin ist der rausgeholt worden wieder, der mir gegenübergestanden hat und dann habe ich Dresche gekriegt, aber wie! Mit den Stiefeln in den Magen reingehauen und da fiel ich zu Boden und hab geschrien. Und da ließ er von mir ab und dann wurde ich wieder vom Posten geholt. So ging dann Nacht für Nacht. Nachher im August ´46 wurden wir von einem sowjetischen Militärtribunal zu zehn Jahren verurteilt. Wir kamen nach der Verurteilung nach Torgau, eine ehemalige Festung, die Adolf Hitler gebaut hat für Wehrmachtsangehörige und von dort aus gingen wir auf Transport am Totensonntag nach Bautzen. In Bautzen waren wir jetzt untergebracht in Sälen oder in Einzelzellen, immer vier Mann in einer Zelle. ´47 am 1. Februar wurden alle arbeitsfähigen Häftlinge aus sämtlichen Lagern in der ehemaligen DDR zusammengezogen und gingen auf Transport nach Russland. Ich bin auf dem Transport gewesen mit noch einem aus meiner Gruppe, Günter West hieß der, und wir gingen dann nach Russland, waren vierzehn Tage unterwegs. Wie wir in Brest-Litowsk ankamen, wurden wir nochmal von einer Ärztekommission untersucht. Das ging folgendermaßen vor sich: Wir mussten vor der Ärztin und den Ärzten stehen, mussten die Hose runterlassen, man kniff in den Popo, ob noch Fleisch dran war. Daraufhin wurden wir, wurde was gesagt, ich hab das, die russische Sprache konnte ich ja nicht verstehen, hat die Ärztin gesagt: "Du krank?" Ich sag: "Ja." Daraufhin hat sie einen Vermerk gemacht in eine Akte und so kamen wir in ein Speziallager von den Russen. Das haben Kriegsgefangene, deutsche Kriegsgefangene, die haben das dort betreut. Wir kriegten bessere Verpflegung und da hieß es: Wir werden entlassen. Was sollen die Russen mit kranken Menschen machen, nicht? Wir haben da dran geglaubt, denn wir haben uns wieder aufgerüttelt, aber das war nicht so, wir wurden mit einem Kriegsgefangenentransport, wir sagten damals "Wasserköppe", das waren Kriegsgefangene, die ´43, ´42 schon in Kriegsgefangenschaft waren und schwer gearbeitet haben. Die waren jetzt so krank, dass sie abgeschoben wurden von den Russen. Und so fuhren wir denn mit einem Kriegsgefangenentransport zurück. Aber wir waren in Frankfurt/Oder und wurden umgeleitet, der Zug mit uns Strafgefangenen und wir landeten wieder in Bautzen. Und ´49 wurden wir mit einmal aufgerufen, wurden zusammengestellt und gingen mit einem Transport nach Sachsenhausen. In Sachsenhausen in der I. Zone. Von Sachenhausen haben wir nur gehört, dass es ein Speziallager war. Und wie wir da hinkamen, waren wir erstaunt. Wir wurden in die I. Zone gebracht und in der I. Zone war das besser, weil wir meist alle Arbeit bekamen und so wurde ich eingeteilt zur Feuerwehr. Und ich war im Kommandantenhof bei der Feuerwehr. Deswegen ging es uns gut. Wir haben damals auch immer Tabakblätter und so weiter geklaut, bei den Russen, die hatten so Tabak angepflanzt und wir von der Feuerwehr mussten immer so Sachen besuchen und Wasser hinbringen und so weiter. Also, wir hatten frische Luft, wir konnten uns frei bewegen, wir kriegten was zu rauchen, wir kriegten auch Zeitungen und man merkte, da tut sich irgendwas. Und eines Tages wurden wir aufgerufen und wer den Strohsack abgeben musste, der wurde entlassen. Und ich musste, wir mussten unseren Strohsack behalten, waren noch einige Tage drin und die große Entlassungswelle begann 1950. Einige meiner Kameraden von Bützow, die wurden ´50 entlassen. Und ich wurde an die Deutsche Volkspolizei übergeben. Die haben uns behandelt, schlimmer wie die Russen. Die haben rumgebrüllt: "Kommse, kommense! Machen Sie, dass Sie wegkommen da!" In Reih und Glied sind wir denn wieder nach Torgau gekommen. 1951 wurde ich aufgerufen zur Entlassung. Ich kam in einen großen Saal, da kamen einige Kameraden noch und wir feierten, dass wir jetzt entlassen werden. Einen Tag später, das war kurz vor Ostern, wurde ich wieder rausgeholt nachts und kriegte meine Häftlingsklamotten, wir waren schon eingekleidet in Zivil, kriegten wir unsere Klamotten wieder, Häftlingsklamotten und dann kam ich ins Lazarett in Waldheim. Und da wussten sie nicht, was sie machen sollten mit uns, also, wir kriegten jetzt Tbc-Verpflegung, die war schon besser. Und da kam der Oberst Protze von der Volkspolizei, der sagte: Sie haben Befehle, uns zurückzuhalten. Und wir werden nicht entlassen und deswegen waren wir erst mal weg vom Objekt. Wir waren im Lazarett, und mit noch einem Berliner war ich zusammen, das war eine große Enttäuschung. Die anderen sind nach Hause gegangen zu Ostern und wir verblieben, ich verblieb noch drei Jahre in Waldheim. Und sind dann ´54? ´54 am 16. Januar bin ich dann entlassen worden. Ich bin nach Hause gegangen und war denn bei meinem Arzt. Und zu dem hab ich gesagt: "Wie komme ich am besten weg?" Ich musste alle zwei Tage, musste ich mich melden bei der Behörde, Volkspolizei. In Bützow? In Bützow. Und der hat gesagt: "Benno, ich überleg, was ich machen kann, ich hab einen heißen Draht, da können Sie erst mal zur, machen Sie erst mal eine Kur. Ich hab einen heißen Draht und da schicke ich Sie hin. Da müssen Sie über Berlin. Und wenn Sie zurückfahren, Sie machen die Kur", hat er gesagt, "und wenn Sie zurückfahren in die S-Bahn rein und ab in den Westen. Und dann bleiben Sie im Westen.", hat er gesagt. Wie ich in West-Berlin war, bin ich zur Polizei und die "Pieterwagen" haben die immer gesagt. Grüne Minna. Polizeiautos. Und da hat der gesagt. Hab ich gesagt, ich komm aus dem KZ, Russen-KZ von drüben. Und da hat der gesagt: "Au, da kommen Sie mit auf die Wache." Und da haben sie ein Protokoll gemacht, wo ich jetzt hinmöchte. Ich sag, ich hab einen Onkel hier in West-Berlin wohnen, da möchte ich schon hin. Eines Tages stand immer ein Auto vor der Tür und da saßen immer zwei Mann drin. Und da hat mein Onkel die Polizei angerufen und die zwei wurden verhaftet, die waren aus dem Osten, Ost-Berlin. Wahrscheinlich wollten die mich entführen. Da kriegte ich sofort ein Flugticket, wurde abgeholt und wurde dann ausgeflogen nach Hamburg. Na, jedenfalls hab ich mich dann beworben beim Bundesgrenzschutz, BGS. Und da wurde ich einberufen ´55 im April in der Lüneburger Heide, und dann war ich da an der Grenze. Bei der Grenzpolizei. Und da hab ich mich so richtig erholt, viel Sport gemacht und immer mit jungen Leuten zusammen, ich war nun der Älteste. Na, jedenfalls bin ich dann als Spätheimkehrer, als Spätheimkehrer haben sie mich noch eingestellt. Und dann wurde die Bundeswehr gegründet, aufgestellt und wir wurden übergeben als Ausbilder für Bundeswehr. Da kam ich nach Munsterlager zu den Panzern. Und von dort aus wurden wir dann verteilt, da hieß es, wir müssen neue Einheiten aufstellen als Ausbilder. Ich kam als Panzerkommandant nach Koblenz. Und von Koblenz hab ich mich gemeldet hier nach Süddeutschland, wo meine Frau lebte in Bruchsal, und da bin ich denn hier runtergekommen. Nach der Wende war ich überall, wo ich gelitten hab. Bin ich hingefahren und hab Aufarbeitung gemacht. Durch meine Aufarbeitung hab ich erfahren, dass viele Urnenbeisetzungen waren, weil es befohlen wurde von oben, dass die Leichen verbrannt werden und die Urnen standen manchmal jahrelang auf einem Dachboden, so zum Beispiel diese in Torgau oder in Bautzen. Und die beerdigt wurden dann erst Jahre später. Von Arbeitern von dem Friedhof. Und so habe ich den Urnenplan gefunden von Waldheim. In Waldheim liegen viele hundertfünfzig Urnen.

Eines Tages wurden wir aufgerufen und wer den Strohsack abgeben musste, der wurde entlassen. Ich musste den Strohsack behalten. Ich wurde an die Deutsche Volkspolizei übergeben. Die haben uns behandelt, schlimmer als die Russen

Die Streitkräfte der Sowjetunion nannten sich „Rote Armee". Die Soldaten aus dem Vielvölkerstaat Sowjetunion waren unterschiedlicher Nationalität, die meisten waren Russen. Ihr Symbol war der rote Stern. Noch im Jahr 1990 waren in der DDR ca. 340.000 sowjetische Soldaten und 208.000 Zivilangestellte stationiert.

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Biografie

ca. 1945

Benno Prieß wird im Mai 1946 plötzlich verhaftet und an die sowjetische Geheimpolizei überstellt. Er soll gestehen, dass er gegen die Rote Armee

Die Streitkräfte der Sowjetunion nannten sich „Rote Armee". Die Soldaten aus dem Vielvölkerstaat Sowjetunion waren unterschiedlicher Nationalität, die meisten waren Russen. Ihr Symbol war der rote Stern. Noch im Jahr 1990 waren in der DDR ca. 340.000 sowjetische Soldaten und 208.000 Zivilangestellte stationiert.

kämpft. Ein absurder Vorwurf. Als ein Mithäftling bei einer Gegenüberstellung unter Druck ihn beschuldigt, ein Werwolf

Der Werwolf war eine nationalsozialistische Untergrundbewegung, die am Ende des Zweiten Weltkrieges den bewaffneten Widerstand gegen die alliierten Besatzungsmächte in Deutschland führen sollte. Die Bewegung fand wenig Unterstützung in der Bevölkerung und ihre Aktionen wurden im Mai 1945 eingestellt. 

-Kämpfer zu sein, schreit Benno laut, dass es nicht stimmt und erlogen sei. Dafür wird er zusammengeschlagen und -getreten. Ein falsches Geständnis macht er nicht, trotzdem wird er zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt.

Anfang 1947, Benno ist 19 Jahre alt, als er neben vielen anderen Häftlingen zur Schwerstarbeit in der Sowjetunion

Die Sowjetunion war ein kommunistischer Einparteienstaat. Sie wurde 1922 durch Zusammenschluss der Russischen Republik und der umliegenden Staaten gegründet und 1991 aufgelöst. Die Russische Sowjetrepublik als Kernstaat der Sowjetunion entstand nach der sozialistischen Oktoberrevolution im Jahr 1917. 

ausgesucht wird. Unterwegs, in Brest, werden alle noch einmal von sowjetischen Ärzten untersucht. Jetzt ist Benno zu krank zum Arbeiten und kommt ins Lazarett. Von hier aus wird er zurück nach Deutschland transportiert, kommt zuerst ins Speziallager

Das sowjetische Volkskommissariat für Inneres (NKWD) richtete von 1945 bis 1950 in der SBZ/DDR insgesamt zehn Speziallager ein. Anfangs sollten hier nach Kriegsende vorrangig ehemalige Funktionsträger des NS-Staates inhaftiert werden. Gleichzeitigt dienten die Lager zur Zwangsrekrutierung von in der Sowjetunion benötigten Arbeitskräften. In der Folgezeit wurden hier jedoch mehr und mehr Personen festgehalten, die als Gefahr für die Besatzungsmacht oder für den Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung angesehen wurden.

nach Bautzen

Bezeichnung für einen Haftort in der Stadt Bautzen. 1904 war hier eine Landesstrafanstalt gebaut worden. Von 1945 bis 1950 wurde sie als „Speziallager Nr. 4“ der sowjetischen Geheimpolizei genutzt. Danach war es eine Strafvollzugsanstalt, in der bis 1989 auch politische Häftlinge inhaftiert waren. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) führte im ehemaligen Bautzener Gerichtsgefängnis eine Sonderhaftanstalt mit 200 Haftplätzen für Sondergefangene, wie Regimekritiker und Bundesbürger.

und 1949 nach Sachsenhausen

Im August 1945, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, internierte der sowjetische Geheimdienst nichtverurteilte deutsche Zivilisten im ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslager Sachsenhausen. Ab 1946 war die Zone II des Lagers Haftort für Verurteilte der Sowjetischen Militärtribunale (SMT). Insgesamt waren bis 1950 in diesem Lager 60.000 Menschen inhaftiert. In dieser Zeit starben 12.000 an den Haftbedingungen. Das Lager wurde im Frühjahr 1950 aufgelöst.

. Er wird in die Zone I gebracht und bekommt Arbeit bei der Lagerfeuerwehr und dadurch bessere Verpflegung. Bald darauf beginnen die Entlassungen, denn die Speziallager

Das sowjetische Volkskommissariat für Inneres (NKWD) richtete von 1945 bis 1950 in der SBZ/DDR insgesamt zehn Speziallager ein. Anfangs sollten hier nach Kriegsende vorrangig ehemalige Funktionsträger des NS-Staates inhaftiert werden. Gleichzeitigt dienten die Lager zur Zwangsrekrutierung von in der Sowjetunion benötigten Arbeitskräften. In der Folgezeit wurden hier jedoch mehr und mehr Personen festgehalten, die als Gefahr für die Besatzungsmacht oder für den Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung angesehen wurden.

werden 1950 aufgelöst. Doch Benno soll seine restliche Strafe nun in DDR

Die Deutsche Demokratische Republik wurde am 7. Oktober 1949 auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone gegründet. Sie hatte den Charakter einer kommunistischen Diktatur nach sowjetischem Vorbild.

-Gefängnissen absitzen.

Erst 1954 wird Benno unter strengen Auflagen freigelassen und flieht nach West-Berlin

West-Berlin war der von den West-Alliierten USA, Großbritannien und Frankreich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges besetzte westliche Teil Berlins. West-Berlin war umgeben von der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und späteren DDR. Seit 1961 riegelte die Berliner Mauer mit tödlicher Grenzanlage Ost-Berlin ab.

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Doch auch dort ist er nicht sicher. Er wird tagelang von Männern aus Ost-Berlin

Der sowjetische Sektor der Stadt Berlin umfasste den östlichen Teil. Ost-Berlin wurde zum Synonym für den kommunistischen Teil Berlins. Die DDR erklärte den sowjetisch besetzten Teil Berlins 1949 zu ihrer Hauptstadt. Seit 1961 waren Ost- und West-Berlin durch die Berliner Mauer geteilt.

beschattet. Entführungen in den Ostsektor sind in dieser Zeit eine reale Gefahr. Benno Prieß fliegt deshalb umgehend in die Bundesrepublik

Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 auf dem Gebiet des von den West-Alliierten (USA, Großbritannien, Frankreich) nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges besetzten Teils Deutschlands gegründet. Das Saarland kam nach einer Volksabstimmung im Jahr 1956 dazu. Staatsform ist die parlamentarische Demokratie.

, dort bewirbt er sich beim Bundesgrenzschutz und geht später zur Bundeswehr.