Friedrich Liebe

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Meine Eltern waren Begründer vom Brandenburger Kanu-Club, und dadurch bin ich sehr früh zum Wassersport gekommen, bin mit 9 Jahren mit meinen Eltern mit einem Kanadier gepaddelt von Brandenburg bis Swinemünde, 1939. Denn fing das an hier mit der Volkssturmausbildung, da waren wir in der Wollenweber-Straße. Da haben sie uns am MG42 ausgebildet mit Laufwechsel, Schlosswechsel, alles, und Karabiner 89. Ja, und denn kriegte ich eine Einberufung, weil ich vorher, war ich bei der Marine-HJ. Aber das war für uns damals als Bengels, ich fand das heute noch gut, ja, also, wir waren weg von der Straße und sind gerudert und haben so ein bisschen seemännische Ausbildung gehabt, Knoten, Blinken, Winken. Und dann haben sie mich nach Konstanz am Bodensee geschickt im Frühjahr ´45. War denn noch ein Jahr auf der Schule, hab meine Mittlere Reife gemacht, ja, und denn ging es ja los mit Lehrstelle. Und da wollte ich eigentlich immer irgendwie, was mit Chemie zu tun hat, wollte ich in Premnitz anfangen, ja. Da war ja damals IG Farben, war das ja. Und da bin ich mit meinem Vater da hingefahren. Ja, und dann haben sie gesagt: "Wir können nicht mal unsere Lehrlinge unterbringen." Das war denn schon erstmal ein Flop. Und dann hatte mein Vater einen Bekannten, der hat Schreibmaschinen repariert. Und dann habe ich, bin ich auf Feinmechanik umgeschwungen, hab denn Schreibmaschine, also Trümmermaschinen wieder aufgearbeitet oder Schreibmaschinen für Russen, dann die kyrillischen Typen da, also Typen gewechselt. Und hab meine Lehre gemacht und auch noch ein Jahr in der Praxis und so, und dann war da auch schlecht und denn ´50 hatten wir einen Bekannten, der war hier schon im Werk, war ja, um 20. April war ja denn hier Spatenstich nicht, aber Eröffnung, der erste Ofen dann. Ja. Und da habe ich dann irgendwie hier Arbeit, da habe ich denn als Laborhilfsarbeiter für 93 Pfennig Stundenlohn angefangen. Friedrich Liebe wird 1952 für die Kasernierte Volkspolizei geworben, den Vorläufer der Nationalen Volksarmee der DDR. Ich hatte da schon mehrfach von gehört und denn habe ich gesagt: "Hört zu, ich war in englischer Gefangenschaft, und da haben wir ein Merkblatt gekriegt. Und da ist ein Spruch von Churchill drauf: Ein Deutscher wird nie wieder ein Gewehr in die Hand nehmen." War richtig in diesem Entlassungsding, ja. Sage ich: "Und was ist das hier?" "Kollege, du musst verstehen, der Klassenfeind, ja, in Grünau haben sie die Brücke gesprengt da.", und so weiter, "Und wir brauchen einen Schutz.", und so. Sage ich: "Ist alles gut, könnt ihr machen, ich nicht." 17. Juni 1953 Viele wussten gar nicht, wie und was los ist, es hieß bloß: Die Maurer in Berlin sind auf der Straße. Und das hatte sich nun auch hier übertragen. Und denn war, habe ich denn mitgekriegt, in der Steinstraße, da war eine Spedition Taege, und die haben, da saß der Chef, also August Taege, wegen einer Sache war der irgendwie, hatten sie den ins Gefängnis da geschleppt, ja, in der Steinstraße. Und seine Arbeiter, die sind denn da zum Gefängnis und haben den da rausgeholt, ja. Und hier die Reichstein-Villa am Stadtkanal, da war ja die SED-Kreisleitung drin, und da flogen die Akten in die Havel, ja, also Akten und Schreibmaschinen, alles. Aber das habe ich nicht selbst gesehen, aber gehört und später habe ich das auch mal schwimmen sehen, da die Papiere. Und denn war in der Steinstraße NDP, auch ein Parteibüro, das war gegenüber von dem Konsumhaus da, und da hatten sie auch, die hatten da als Emblem irgendwie so ein Eichenblatt oder was, und jedenfalls da flogen auch die Akten auf die Straße. Ja, und das war so meine Erinnerung an den 17. Juni. Dann kam die Zeit, dann wurde in Bremen ein Stahlwerk aufgemacht, und das hatten verschiedene mitgekriegt. Und es waren ja bestimmte Bedingungen hier, die waren nicht normal. Naja, und so wie man sich das wünscht, und der Westen war eben besser und so, und da sind die ersten denn abgehauen nach Bremen. Na, und denn war ich hier immer so Schichtführer, Brigadier, und das ging denn so bis ´90, ja. Eigentlich war das hier meine Heimat, ja, und in die Fremde wollte ich nicht. Wir hatten hier unseren Wassersport und wir hatten ja auch Gelegenheit, ins Ausland schon, wir waren in der Tschechei, wir waren in Leningrad und in Moskau, wenn auch bloß immer mal so Ausflüge, aber wir hatten, ich wohne ja hier drüben gleich, AWG-Bauten, ja, da hatten wir unsere Wohnung, das sind so Bremer-Typhäuser hier, und da ist hinten ein Stückchen Garten dran, so breit wie die Wohnung ist, ja, und vor paar Jahren haben wir das gekauft, so dass das jetzt unser Eigentum ist, ja, wir sind zufrieden.

Eigentlich war das hier meine Heimat und in die Fremde wollt ich nicht.

Biografie

Friedrich Liebe ca. 20 Jahre alt

Friedrich Liebe wächst quasi auf den Brandenburger Gewässern auf. Seine Eltern waren vor dem Krieg die Mitbegründer des Brandenburger Kanuclubs. Die Bootstouren auf den heimischen Gewässern möchte er nicht missen.

Im Frühjahr 1945 wird er zur Wehrmacht

Die Wehrmacht ging aus der Reichswehr hervor und bezeichnet die Streitkräfte im nationalsozialistischen Deutschland. Sie wurde 1935 gegründet und kämpfte als Aggressor für die Neuordnung der Welt zu Gunsten Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. 1945 kapitulierte die Wehrmacht vor den Alliierten und wurde 1946 aufgelöst.

einberufen. Eigentlich ist er noch Schüler. Als er aus britischer Gefangenschaft heimkehrt, beendet er erst die Schule und wird dann Feinmechaniker. Im neuen Stahlwerk Brandenburg sieht er eine Chance und fängt dort zunächst als Laborhilfsarbeiter an.

1952 kommen Werber der Kasernierten Volkspolizei und drängen ihn, sich zum Dienst in den Vorläufereinheiten der Nationalen Volksarmee zu melden. Den SED

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) entstand 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone durch Zwangsvereinigung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei (SPD). Die SED war eine marxistisch-leninistische Staatspartei, die ihren allumfassenden Machtanspruch umsetzte, indem ihre Funktionäre alle wichtigen Bereiche der Gesellschaft besetzten.

-Genossen entgegnet er: „Hört zu, ich war in britischer Gefangenschaft und zur Entlassung gab’s ein Papier, da war ein Spruch von Churchill draufgedruckt: ‚Ein Deutscher wird nie wieder ein Gewehr in die Hand nehmen.“ Als junger Mensch mit Kriegserfahrungen findet er diese Aussage richtig. Sich dabei auf Churchill zu berufen, ist Anfang der 50er Jahre schon riskant.  

Zum Volksaufstand

Am 17. Juni 1953 fanden in der gesamten DDR Streiks und Demonstrationen statt. Die Aufständischen forderten: Rücknahme der Normerhöhungen, Freilassung der politischen Häftlinge, Schluss mit der SED-Herrschaft und freie Wahlen. Sowjetisches Militär schlug den Aufstand nieder. Über 50 Menschen wurden getötet, Hunderte verletzt, über 1.200 zu Haftstrafen verurteilt. Die SED diffamierte den Aufstand als faschistischen Putsch.

am 17. Juni 1953 ist er natürlich auch auf der Straße. Er beobachtet den Protest der Aufständischen, deren Wut sich hauptsächlich gegen die SED

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) entstand 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone durch Zwangsvereinigung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei (SPD). Die SED war eine marxistisch-leninistische Staatspartei, die ihren allumfassenden Machtanspruch umsetzte, indem ihre Funktionäre alle wichtigen Bereiche der Gesellschaft besetzten.

und Blockparteien richtet. Am meisten beeindruckt ihn die Belegschaft der Möbelspedition Taege, die ihren Chef August Taege an diesem Tag aus dem Gefängnis befreit.

In den folgenden Jahren gehen viele Kollegen aus dem Stahlwerk in den Westen

In der DDR umgangssprachliche Bezeichnung für die Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin.

. Trotz der Bedingungen in der DDR

Die Deutsche Demokratische Republik wurde am 7. Oktober 1949 auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone gegründet. Sie hatte den Charakter einer kommunistischen Diktatur nach sowjetischem Vorbild.

, die er eigentlich auch nicht normal findet, wird er Brigadier und richtet er sich das Leben gut ein.