Paul Radicke

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Ich bin am 24. Dezember `28 geboren und einen Tag vor meinem fünfzehnten Geburtstag, also am 23. Dezember`43 erhielt ich die Einberufung als Flakhelfer nach Leuna, da war ja dann mal gerade fünfzehn. Ende März kam dann der Stadtkommandant von Potsdam, wollte unsere Einheit abholen, wir sollten also Potsdam gegen diese Rote Armee verteidigen. Und irgendwie hat dieser Stadtkommandant, ein alter Offizier aus dem 1. Weltkrieg, den Dreh gefunden, einige von uns wohl zu retten. Und da etwa die Hälfte von uns ehemalige Luftwaffenhelfer waren wie ich auch, hatte man uns während der Flakhelferzeit zum Reserveoffiziersbewerber animiert. Und er hatte den Dreh gefunden, hatte alle Reserveoffiziersbewerber zur Entlassung frei gekriegt. Abends wurden wir also aufgerufen mit dreiundachtzig Leuten etwa, kriegten plötzlich Zivil, diese Naziarbeitsdienstführer waren nicht mehr dabei, jeder wer Zivil anhatte, wurde von ihm begrüßt, ob Brüder, Geschwister oder wer gefallen ist im Krieg, was wir nach dem Krieg machen wollen und dann wurden wir im Morgengrauen des 28. März ´45 nach Magdeburg gefahren und in den beiden Bussen, wenn man sich überlegt, wieso wir, stellte sich raus, dass wir eben alle die Reserveoffiziersbewerber aus der Flakhelferzeit waren. Und die anderen, die restlichen, Jahrgang ´29 zum Teil und jünger, die wurden dann also in Feldgrau eingekleidet und wurden tatsächlich in den Fronteinsatz nach Potsdam geschickt. Dann zog bei uns am 11. April ´45 ja der Amerikaner ein und man hörte immer, dass das Gebiet irgendwie russisch würde. In welchem Gebiet war das? Sachsen-Anhalt, Kreis Köthen, bei Könnern an der Saale. Aber die Amerikaner, die auch auch bei uns oft in der Küche sich was kochten, haben immer geleugnet, nein, nein, sie würden dableiben. Und eines Tages, dann gegen Ende April ´45, gab es plötzlich eine vierseitige Zeitung, ein kommunistisches Blatt, und da waren genau die Zonengrenzen so eingezeichnet, wie sie dann auch wirklich waren. Und die Amerikaner haben das aber bis zuletzt geleugnet. Und an einem Tag, also am 19. Juli ´45, da haben sie uns gefragt, ob wir Verwandte in Westdeutschland hätten, dass sie also abziehen nach Berlin, dass die Sowjetarmee einrücken würde, also einen Tag vorher haben sie es zugegeben. Und wir standen mit den Amerikanern vor der Tür, als die ersten russischen Truppen kamen. Morgens hörte man schon so Pferdegetrappel, die ersten Leute, die in Köthen arbeiteten, das war dreizehn Kilometer, die sagten: "In Köthen wehen überall russische, rote Fahnen." und die Russen wären in Köthen. Und zwei, drei Stunden kamen sie denn also auch zu uns ins Dorf und ein russischer Kapitän, hoch zu Pferde, stieg ab und wollte die Amerikaner mit Handschlag begrüßen, aber die Amerikaner salutierten nur, sie gaben ihm also nicht die Hand und dieser russische Kapitän sagte zu uns Deutschen: "Ihr jetzt alles meine Arbeiter!" Wir waren also ziemlich schockiert. Na, und im Laufe des Tages, die russischen Truppen zogen dann immer weiter, schossen die Amerikaner mit ihren Colts, 11 Millimeter, auf Telefonmasten. In den Telefonmasten waren immer so kleine weiße ovale Scheiben, und da war eine Nummer des Masten eingestellt, und die Amerikaner ballerten also mit ihren schweren Colts auf diese Masten dort und dann stellten wir fest, dass die Russen überhaupt keine Munition bei sich hatten. Das war die große Überraschung der Amerikaner, auch für uns Deutsche. Die zogen also Richtung Westen weiter und hinterher kamen sie zurück mit den Kuhherden. Vielleicht muss ich das auch erzählen: Man musste sich in Acht nehmen, dass man nicht erwischt wurde von den Russen und so eine Kuhherde mit gen Osten transportieren musste. Konnte einem passieren, man musste dreißig, vierzig Kilometer und noch mehr mitlaufen, bis die Russen einen freiließen, weil sie neue eingefangen hatten, die die Kuhherden mit trieben. Und da das meistens bewehrte Soldaten waren mit vielen Orden, die wohl nun als erste nach Haus konnten, oder nach Hause sollten, das heißt, die hatten dann zwei-, dreitausend Kilometer Fußmarsch vor sich, um nach Hause zu kommen, haben wir diese Soldaten, haben wir diese Orden als Kuhtreiberorden bezeichnet. Das war die logische Konsequenz, wenn ausgerechnet die mit den hohen Auszeichnungen die Kühe trieben, war es für uns eine Sammlung der Kuhtreiberorden. Und die Amerikaner zogen also ab nach Berlin, behielten in Könnern, in der ehemaligen Malzfabrik ein Lager, Ersatz mit Lebensmitteln und Kleidung und alles Mögliche, und jeden Monat einmal kam also eine Kolonne aus Berlin von der amerikanischen Einheit, das war versiegelt, und holten dort noch Sachen ab. Und wir hatten also seit dem 20. Juli die Russen da. Die Vergewaltigung, Vergewaltigungsszenen, sowas gab es nicht mehr, es war ja der 20. Juli, keine Kampfhandlungen mehr, insofern nix, nur mir hatten sie gleich als erstes ein Fahrrad geklaut, musste man mit leben, und dann im November ´45 fing die Tanzstunde an. Wir hatten in Könnern also Tanzstunde, sonntags, und jeden Sonntagnachmittag kamen denn einige, damals wusste ich noch nicht, was NKWD oder KGB ist, kamen einige Offiziere. Wenn die den Saal betraten, dann forderten die "preußisch Musika", erstaunlicherweise wollten sie hören "Badenweiler" und "Pariser Einzugsmarsch" und dann kam "Rosamunde", traditionell, und sie forderten unsere Tanzstundendamen auf und drehten eine Runde und hauten vergnügt wieder ab. Zu dem Orchester muss ich sagen, das war das Mitteldeutsche Tanz- und Unterhaltungsorchester Kurt Henkels, die hauten dann später nach Westdeutschland ab, zu der Zeit in Halle haben sie mit kleiner Besetzung, zehn, zwölf Mann, bei uns gespielt zur Tanzstunde für Lebensmittel. War nun in einem ländlichen Bezirk, für ein paar Eier, ein Stück Schinken und Brot haben die also nun hier herrliche Musik gezaubert. Aber ich weiß, der Kurt Henkels, damals MTU, Mitteldeutsches Tanz- und Unterhaltungsorchester war dann hier in Westdeutschland. Ja, sonst haben wir von den Russen also nix groß gemerkt. Eines Tages im Dezember ´45, ich kam aus Köthen, hatte irgendwas eingekauft, standen vor unserer Haustür also Wachposten und die wollten mich gar nicht reinlassen, bis ich denen klarmache, dass ich zu dem Haus gehörte. Und dann standen selbst in unserem Hausflur russische Posten vor der Tür und das Wohnzimmer und Esszimmer hatten die Russen in Beschlag genommen und ich hörte Klavierspielen. Und da war ein, ich weiß den Namen leider nicht, es sollte der jüngste Held der Sowjetunion gewesen sein, ein junger General, Anfang dreißig wohl, die machten dort ein Manöver und hatten unser Haus als Quartier ausgewählt, und der Adjutant, Major, spielte herrlich Klavier und kam dann raus und fragte, ob wir auch noch andere Noten hätten. Meine Schwester war keine super Klavierspielerin gewesen, wir hatten also nicht die Noten, die er gerne gehabt hätte und so hat der da gespielt. Und das Erfreuliche war auch, als sie nach vier Tagen etwa wieder abhauten, wurde mein Vater ins Zimmer gebeten, musste sich überzeugen, dass nichts fehlte und alles in Ordnung ist. Also, das war zunächst der sehr positive Eindruck der sowjetischen Besatzungsmacht, den ich gewinnen konnte. Und das war Ende ´45. Und ´47 im Sommer dann, völlig überraschend, lag bei uns, wir hatten eine Bäckerei mit einem Gemischtwarengeschäft, lag plötzlich ein Flugblatt, ein Gedicht - ich hab es dort liegen sehen, ich würde es Ihnen gerne mitgeben -, ein Spottgedicht praktisch über die SED, über das System. Und ich hab das mitgenommen zur Schule, hab das einem Schulkameraden gezeigt, sagt der: Ach, leih mir das mal, kriegst morgen wieder. Ich hab es dem auch gegeben, nur dessen Schwester war Stenotypistin in einem Vulkanisierbetrieb. Es gab ja noch keine Fotokopierer. Folglich hat die das Ding abgeschrieben und Durchschläge angefertigt, und nach wenigen Tagen wurde ich also von der Schule weg verhaftet, sollte mal zur Kommandantur kommen, da gibt es irgendwie Rückfragen. Und so wurde ich in Köthen also verhaftet. Und ich war das letzte Glied in der Kette, weil ich nichts wusste, ich konnte den nicht nennen. Meine Schwester hatte es im Laden gefunden, ich hab es dort auch übernommen, also ich war das letzte im Glied der Kette, und da wurden also noch der Schulkamerad, seine Schwester und einige Beschäftigte aus diesem Köthener Vulkanisierbetrieb mit verhaftet, alle, die nun im Besitz des Flugblattes waren. Offensichtlich existierte dieses Flugblatt auch in anderen Teilen der DDR. Ich hab später in Sachsenhausen viele getroffen, die wegen des gleichen Textes zu zehn Jahren verurteilt waren, hoffentlich hat es in der ganzen, damals ja noch SBZ, die Runde gemacht. Und dann wurden wir unter starker Bewachung zum Güterbahnhof getrieben, in drei Güterwaggons verladen. An den letzten Wagen hatten sie MGs angebracht und wir hörten dann auf der Fahrt, wir wussten ja nicht, wo es hingeht, dass Schafe blöken, also offensichtlich hatte man bei unserem Transport in jeden zweiten, dritten Wagen eine Schafherde mit verfrachtet, um uns als Viehtransport auszugeben. Angeblich sind auch Transporte nach Sachsen durch West-Berlin gefahren, was ich mir nicht denken kann. Jedenfalls, wir sind fast zwei Tage unterwegs, da wurde auch keine Tür aufgeschlossen. Im Boden des Waggons war ein kleines Loch, da konnte man seine Notdurft verrichten. Und wir waren etwa sechzig Mann in dem Waggon. Und bis einer dann plötzlich aus der Ritze am nächsten Morgen den Ort "Nauen" entdeckte, der sich offensichtlich auskannte, hieß es: "Das geht nach Sachsenhausen bei Oranienburg." Mir war das nicht bekannt, dass da in Sachsenhausen in der Nähe von Nauen liegt, auch von dem KZ Sachsenhausen wusste ich nix, aber offensichtlich waren einige dabei, denen das bewusst war. Ich hab später von Häftlingen gehört, die erst in den Zellenbau zur Quarantäne kamen. Wir sind nur gefilzt worden und gingen dann durch die I. Zone durch in die Zone II, ins sogenannte Straflager. Nach welchem System wir da also aufgerufen wurden, es ging nicht nach Hafturteilen oder was, ging also wüst durcheinander, auch nicht nach Alphabet, jedenfalls ich landete auf der Baracke 47. Barackenältester war ein Isidor Vuk. Viele kannten ihn aus Altstrelitz, er war eine Zeitlang Barackenältester auf der 42, zu der Zeit war er auf der 47, seines Zeichens Unteroffizier der jugoslawischen Armee. Und er hatte sich so in Halbuniform verkleidet und hat versucht, als Partisan bei den Leuten zu kassieren. Hat sich als Rotarmist ausgegeben und wohl versucht, so Klamotten zu erpressen. Deswegen war er auch verurteilt. Er sprach fließend Russisch, das war ein Vorteil. Und Isidor war im Grunde genommen menschlich ein Schwein, kann man sagen, also er hielt sich eine Schlägerkolonne. Die Russen, das muss man vielleicht sagen, hielten sich aus der inneren Verwaltung des Lagers eigentlich raus. Diese Barackenältesten, und in der I. Zone gab es auch Bataillonskommandeure, die führten also Regie, und ziemlich eigenständig. Und da der Isidor Vuk fließend russisch sprach, schob er wohl auch Klamotten mit den russischen Wachposten, nach dem Zählappell oder so. Jedenfalls, als wir ankamen auf der 47 zu der Zeit, ältere Leute wurden gefragt, ob sie Zahnkronen haben, wenn sie eine hatten, denn bot Isidor irgendeinen Preis, so eine Kuhle Brot oder Nachschlag für diese Zahnkrone. Die alten Leutchen haben sich natürlich gesträubt, wer reißt sich freiwillig eine Zahnkrone raus. Und wenn die also nicht freiwillig ran wollten, wurden sie in einem der nächsten Nächte, zwei Nächte später im Waschraum von seiner Schlägerkolonne zusammengeschlagen und diese Goldkronen wurden zwangsweise entfernt, aber ohne Bezahlung mit Kuhle Brot oder Bafka als Nachschlag. Isidor war ein begeisterter Schachspieler. Es war ja sonst alles verboten, aber Schachspielen war erstaunlich erlaubt. Selbst wenn also in den Baracken echte Schachspieler aus irgendwelchem Grund existierten, wurden die nicht eingezogen. Brettspiele, also Halma, Dame und Schach waren erlaubt, alles andere nicht. Bleistifte, sowas durften wir alles nicht haben. Denn wurden also Schachfiguren aus Brot geknetet, getrocknete Brotkrümel. Man wusste eben, das soll der Springer sein, das der Turm, so existierten also mehrere Schachspiele. Und Isidor selbst war ein guter Schachspieler. Und eines Tages, er war aber auch ein schlechter Verlierer, bei einem Originalschachspiel, was richtig aus Holz geschnitzt war, da hatte er vor Wut, weil er verlor, draufgehauen und hatte sich die Ohren dieser Springer in die Hand gestochen. Vor Wut mussten innerhalb von zwei Stunden bei sämtlichen Schachspielen von den Springern die Ohren weg. Das war Isidor Vuk. Und dann baute er mitten, mit so russischen Wachposten, innerhalb der Baracke 47, einen Karzer, wie eine Hundehütte. Und wer sich was zuschulden kommen ließ, den verdonnerte Isidor dann zu drei Tagen oder vier Tagen, in dieser Hundehütte zu pennen wie ein Hund und auf Kommando, wenn er es wollte, auch zu bellen. Viele, wenn man später spricht, werden sich fragen, wie ist das möglich? Wir waren bis zu dreiundfünfzig Mann auf der Baracke, dass so ein Mann dreihundertfünfzig Leute in Schach hält, aber das war eben mithilfe seiner Schlägertruppe einerseits möglich und andererseits, wer sich ihm widersetzte, beim Zählappell brauchte er nur ein paar Brocken an den russischen Posten haben, schon ging es ab in den Karzer. Bis April oder Mai ´48 waren in der II. Zone in dem sogenannten Straflager die Baracken tagsüber zugeschlossen. Die Fenster waren alle mit Farbe undurchsichtig gemacht und man kam also nur morgens einmal zum Zählappell und abends aus der Baracke raus. Etwa ab Mai ´48 wurden die Baracken tagsüber geöffnet und in der II. Zone gab es immer einen Block mit zwei Baracken, man konnte also innerhalb dieses Barackenhofs mit fünf-, sechshundert Leuten kommunizieren, während es in der Zone I ja sogenannte Bataillone gab, wo man sich innerhalb eines Bataillons frei bewegen konnte. Also, unsere Haftzeit war insofern wohl härter. Das Hauptschlimmste war das Ungeziefer. Wenn man in seiner Koje saß, ich weiß nicht, wie viel Wanzen oder Läuse ich wohl versehentlich mit verschluckt oder im Ohr zerdrückt hab. Ich hab noch in Erinnerung, dass Wanzen, die ich sicher versehentlich, so penetrant schmeckten, eine Mischung wie Persipan, aber eben extrem, und war nur …. Und mich erwischte es insofern, dass ich durch Wanzenbisse infiziert am Hals dann große Furunkulose kriegte und später am linken Unterschenkel drei Löcher, die sich zu einer Phlegmone ausbildeten, da lief es also aus drei offenen Wunden des Unterschenkels, die Narben sind heute noch sichtbar. Die Auflösung des Lagers habe ich erlebt am 3. Februar ´50. Das ging chaotisch zu, da wurden plötzlich in den Höfen Namen aufgerufen von Leuten, die längst tot waren. Denn wurden Leute aufgerufen offensichtlich zur Entlassung, plötzlich kamen die doch wieder zurück auf den Hof, Verwechslung, also das waren chaotische Zustände. Wahrscheinlich viele, die man entlassen wollte, waren verstorben, wo die Buchhaltung nicht ganz gestimmt hatte. Jedenfalls landete ich in Untermaßfeld. Wir wurden per Güterzug transportiert, die Vopo übernahm uns. Nach der Haftzeit in den Gefängnissen Untermaßfeld, Brandenburg und Waldheim wird Paul Radicke am 17. Januar 1954 entlassen. Bald darauf flüchtet er in die Bundesrepublik.

Das Hauptschlimmste war das Ungeziefer. Wenn man in seiner Koje saß, ich weiß nicht, wie viel Wanzen oder Läuse ich wohl versehentlich mit verschluckt oder im Ohr zerdrückt hab.

Biografie

Paul Radicke war 1947 Berufsschüler, als er ein Flugblatt mit einem Spottgedicht auf die SED

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) entstand 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone durch Zwangsvereinigung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei (SPD). Die SED war eine marxistisch-leninistische Staatspartei, die ihren allumfassenden Machtanspruch umsetzte, indem ihre Funktionäre alle wichtigen Bereiche der Gesellschaft besetzten.

findet. Es ist lustig, er steckt es ein und zeigt es Mitschülern, um gemeinsam darüber zu lachen. Ein Schulfreund leiht es sich aus und dessen Schwester, die als Schreibkraft arbeitet, vervielfältigt den witzigen Text. Kurz darauf werden sie alle von der sowjetischen Geheimpolizei verhaftet. Paul soll gestehen, von wem er das Flugblatt bekommen und in wessen Auftrag er es weiter verbreitet hat. Aber er kann nichts gestehen, mögen die Vernehmer auch noch so sehr drohen.

Wegen antisowjetischer Propaganda verurteilt ihn ein Sowjetisches Militärtribunal

Sowjetische Militärtribunale (SMT) waren von 1945 bis 1955 Militärgerichte mit besonderen Vollmachten. Sie verurteilten mindestens 35.000 deutsche Zivilisten in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR.  Von 3.301 Todesurteilen zwischen 1944 und 1947 wurden 2.542 vollstreckt.  Bis 1955 kamen ca. 1.000 hinzu. Ein Teil der SMT-Verurteilten kam zwischen 1946 und 1950 in Speziallager.

zu zehn Jahren Lagerhaft. Im Speziallager

Das sowjetische Volkskommissariat für Inneres (NKWD) richtete von 1945 bis 1950 in der SBZ/DDR insgesamt zehn Speziallager ein. Anfangs sollten hier nach Kriegsende vorrangig ehemalige Funktionsträger des NS-Staates inhaftiert werden. Gleichzeitigt dienten die Lager zur Zwangsrekrutierung von in der Sowjetunion benötigten Arbeitskräften. In der Folgezeit wurden hier jedoch mehr und mehr Personen festgehalten, die als Gefahr für die Besatzungsmacht oder für den Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung angesehen wurden.

Sachsenhausen

Im August 1945, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, internierte der sowjetische Geheimdienst nichtverurteilte deutsche Zivilisten im ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslager Sachsenhausen. Ab 1946 war die Zone II des Lagers Haftort für Verurteilte der Sowjetischen Militärtribunale (SMT). Insgesamt waren bis 1950 in diesem Lager 60.000 Menschen inhaftiert. In dieser Zeit starben 12.000 an den Haftbedingungen. Das Lager wurde im Frühjahr 1950 aufgelöst.

erfährt er zu seiner Überraschung, dass mehrere wegen des gleichen Spottgedichts verurteilt wurden.

Schockiert erlebt er den Terror des Barackenältesten, der mit Hilfe einer Schlägertruppe andere Häftlinge demütigt, erpresst, ausraubt und tyrannisiert. Alle fürchten ihn, weil er die russische Sprache beherrscht und nur beim Zählappell der sowjetischen Wachmannschaft ein Zeichen geben muss und schon ist man im Karzer. Die sowjetischen Wachmannschaften mischen sich so gut wie nie in die innere Verwaltung des Lagers ein, so ist Paul ihm völlig ausgeliefert.

Schlimm war auch das viele Ungeziefer. Gegen Läuse, Wanzen und Flöhe sind die Häftlinge nahezu machtlos.

Als das Lager aufgelöst wird, muss Paul Radicke noch vier Jahre in verschiedenen DDR

Die Deutsche Demokratische Republik wurde am 7. Oktober 1949 auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone gegründet. Sie hatte den Charakter einer kommunistischen Diktatur nach sowjetischem Vorbild.

-Gefängnissen zubringen. 1954 wird er entlassen und flüchtet in die Bundesrepublik

Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 auf dem Gebiet des von den West-Alliierten (USA, Großbritannien, Frankreich) nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges besetzten Teils Deutschlands gegründet. Das Saarland kam nach einer Volksabstimmung im Jahr 1956 dazu. Staatsform ist die parlamentarische Demokratie.

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